TRAPPSTADT Begegnungen im Frühlingswald

01.05.2013

TRAPPSTADT Begegnungen im Frühlingswald

Auf der Suche nach der letzten Ruhestätte in einem heimischen Wäldchen – letzter Teil

5158720_1_1EKSVX5158719_1_1EKSVWFotos: Siggi Seuss

Naturnahe Bestattung: Offener Blick zum Kapellenberg, auf dem ein Naturfriedhof entstehen könnte (Bild oben). Buschwindröschen prägen um diese Jahreszeit den Wald am Kapellenberg, in dem nicht nur der Trappstädter Gemeinderat gerne einen Naturfriedhof sähe (im Hintergrund die St.-Ursula-Kapelle)

Was es doch für Zufälle gibt! Vor knapp drei Jahren fand eine gute Freundin ihre letzte Ruhestätte im Wald. Der Abschied unterm frischgrünen Blätterdach des Buchenwaldes im Ruheforst bei Zeitlofs wird mir immer in Erinnerung bleiben. Freunde und Verwandte hatten sich eingefunden, um der Verstorbenen auf eine sehr persönliche Weise zu gedenken. So stimmig hatte ich das bei anderen Trauerzeremonien ganz selten erlebt. Alles geschah, wie es sich die Freundin angesichts des nahenden Todes sehnlichst gewünscht hatte.

Und nun erzählt mir jemand aus dem Freundeskreis der Verstorbenen, dass das, was ihn damals im Ruheforst bewegte, zu der Entscheidung führte, derentwegen wir uns heute an einem verwunschenen Ort im Grabfeld treffen. Der Forstrat Erwin Kruczek – hier in seiner Eigenschaft als Berater der hiesigen Forstbetriebsgemeinschaft – und der Trappstädter Bürgermeister Kurt Mauer stehen mit mir bei wohlig warmer Frühlingssonne mitten zwischen Buschwindröschenfeldern, knospenden Eichen und Bruchholzstapeln auf dem Kapellenberg, einem kleinen Hügel östlich von Alsleben.

Vor uns am Waldrand liegt die stattliche St. Ursula-Kapelle, etwas weiter links, Richtung Westen, öffnet sich der Wald und gibt einen herrlichen Blick auf die sanfthügelige, von Äckern durchzogene Landschaft des Grabfelds frei, hinter der sich die Silhouette der Hohen Rhön erhebt. Vögel zwitschern. Zweige knacken. Ab und zu ziehen ein paar Wanderer vorüber, denn durch den Wald führt ein europäischer Fernwanderweg.

Das ist er also, der Platz, an dem im Landkreis tatsächlich ein Naturfriedhof entstehen könnte. Und zwar einer, der seinen Namen verdient hätte. Ein Eichenwald mit 80- bis 120-jährigem Baumbestand, darunter auch Buche, Wildkirsche, Berg- und Spitzahorn und ein paar Kiefern. Der Hügel liegt im Naturpark Haßberge. Das Gelände müsste also im Fall eines Falles durch einen Kreistagsbeschluss aus dem Landschaftsschutzgebiet genommen werden. Etwa sieben Hektar groß ist die verfügbare Fläche, die dem Markt Trappstadt gehört. Maximal zwei bis drei Hektar sollen in den nächsten Jahrzehnten genutzt werden. „Wir stehen nicht unter Zeitdruck“, sagt Erwin Kruczek, „aber trödeln sollten wir auch nicht.“

Der Gemeinderat von Trappstadt hat sich einstimmig dafür entschieden, das in dieser Form vermutlich einzigartige Projekt auf den Weg zu bringen. Wenn denn die zu befragenden Träger öffentlicher Belange und sämtliche Genehmigungsinstanzen grünes Licht dafür geben. Dass die Idee eines Naturfriedhofs im Landkreis überhaupt so weit gedeihen konnte, ist den beiden Menschen zu verdanken, mit denen ich hier stehe.

Dass sich die beiden gefunden haben, hat etwas mit ganz persönlichen Erfahrungen zu tun: Kurt Mauer, der ehemalige Geschäftsführer des Naturpark Rhön, war von der Idee eines Naturfriedhofs angetan, seit er vor Jahren an einer Führung durch den Ruheforst Zeitlofs teilgenommen hatte. Und Erwin Kruczek ließ der Gedanke seit der bewegenden Trauerfeier für die gute Freundin nicht mehr los.

Unabhängig voneinander reifte in ihnen die Vorstellung, dass so etwas auch in unserem Landkreis möglich sein müsste. Und zwar nicht unter Einbeziehung eines überregional tätigen kommerziellen Unternehmens, sondern mit und nach eigenen Kräften und Möglichkeiten.

Das ist die erste denkwürdige Besonderheit des Vorhabens. „Träger des Naturfriedhofs St. Ursula“, steht im Konzeptpapier, „wird der Markt Trappstadt sein. Mit dem Betrieb soll eine GmbH beauftragt werden. Diese GmbH soll durch den Markt Trappstadt und die Forstbetriebsgemeinschaft Fränkische Rhön und Grabfeld (FBG) gebildet werden. Zwei Drittel der Anteile werden beim Markt Trappstadt liegen, ein Drittel bei der FBG. (…) Der Betrieb durch andere private Unternehmen ist daher nicht vorgesehen.“ Alles wächst also gewissermaßen auf eigenem Waldboden. Und der bei einem solchen Vorhaben zu erwirtschaftende Gewinn verbleibt dort, wo er hingehört.

Die zweite denkwürdige Besonderheit: Von Anfang an versuchen die Ideengeber von unten nach oben zu planen. Sie informierten die Bürger vor Ort und die Gemeinden der Grabfeldallianz und sie beziehen – das ist besonders wichtig – den katholischen Ortsgeistlichen ein. Am 17. Mai trifft man mit den Vertretern der Diözese zusammen. Die Initiatoren wollen also die Kirche von vornherein maßgeblich mit einbinden.

Die dritte Besonderheit: Die Grabstellen der Urnengräber werden unregelmäßig über die Fläche des Friedhofs verteilt. Bäume dienen lediglich als Orientierungshilfen. Die Grabstellen werden mit einheitlichen Gedenksteinen in der Größe von Waldgrenzssteinen markiert und mit Gedenkschildchen versehen, auf denen, neben dem Namen des Verstorbenen, Raum für individuelle Beschriftungen bleibt.

Wohlgemerkt: Das alles ist eine Idee, die von kompetenten Menschen vor Ort in die Welt gesetzt und auf dem Papier konkretisiert wurde. Was am Ende des nötigen bürokratischen und demokratischen Wegs davon bleibt, wissen die Götter. Bis Ende Mai sollte der Antrag auf Änderung des Flächennutzungsplans beim Landratsamt eingereicht sein. Dann beginnt das Procedere. Zuerst einmal werden mehr als vierzig Träger öffentlicher Belange um Stellungnahme gebeten, Naturschutzbehörde, Wasserwirtschaftsamt, Straßenbauamt, der Denkmalschutz und und und. Das alles kann dauern. Zumindest bis zum Herbst 2013.

Aber für die beiden Herren, die mir an diesem Frühlingstag am Kapellenberg gegenüberstehen und mich auf eine bisher ungeahnte Weise hoffen lassen, dass ich nach meinem Tod nicht auf den Meininger Parkfriedhof auswandern muss, für die beiden Herren im gesetzten Alter scheint es – wie für mich – eine Herzensangelegenheit zu sein, sich für einen Naturfriedhof in der Heimat einzusetzen.

Kurt Mauer zieht sich im April 2014 endgültig aus der Kommunalpolitik zurück. Und auch Erwin Kruczek strebt gemessenen Forstwanderschritts dem Ruhestand zu. Dann haben die beiden vielleicht genügend Zeit, sich den Fragen des weisen Magister Martinus aus dem 15. Jahrhundert zu widmen, mit denen wir unsere Serie begonnen haben: „Ich leb‘ und weiß nicht wie lang, / Ich sterb‘ und weiß nicht wann, / Ich fahr‘ und weiß nicht wohin. / Mich wundert‘s, dass ich fröhlich bin.“

Siggi Seuss

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